Zum Jahresanfang sorgte die Nachricht für Aufregung, dass nach dem Relaunch des Hugendubel-Online-Shops kirchenkritische Titel plötzlich aus dem Angebot verschwunden waren. Hintergrund war, dass Hugendubel auf eine gemeinsame Datenbank mit der DBH-Schwester Weltbild umgestellt hatte. Dabei verwendet Weltbild einen Filter, der regelmäßig nach rechtsextremen und pornografischen Titeln sucht und diese aussondert. Als auffiel, dass Titel wie etwa Karlheinz Deschners „Kriminalgeschichte des Christentums“ fehlten, war von Zensur die Rede. Hugendubel besserte das eigene Online-Angebot nach, während Weltbild, der in Hand der katholischen Kirche ist, bei der Verbreitung papst- oder kirchenkritischer Schriften nicht mitmacht.
Frühere Einlassungen, Weltbild verzichte mit Rücksicht auf die katholische Moral auf einigen Umsatz, relativieren sich mittlerweile. Beim Geschäft mit Erotik gibt sich der Versender deutlich aufgeschlossener: Rund 2500 Artikel, mehrheitlich Bücher, liefert eine einschlägige Stichwortsuche im Online-Katalog. Darunter sind auch Titel des Verlags Blue Panther Books mit seiner Sex-Prosa der Reihen „Anwaltshure“, „Vögelbar“ und „Schlampeninternat“. „Diese Artikel werden jedoch nicht aktiv im Shop beworben, sondern nur passiv vorgehalten“, erklärt eine Weltbild-Sprecherin auf Anfrage.
Matthias Heubach, der Blue Panther 1996 mit seiner Frau Nicola Heubach gegründet hat, kennt die Scheu vor allem des Buchhandels beim „proaktiven Verkauf“ erotischer Bücher. Auch auf der Frankfurter Buchmesse ist er mit seinem Verlag in diesem Jahr nicht vertreten, weil der Veranstalter „keinen passenden Standplatz anbieten konnte“.
07.07.2008Suddeutsche
Der Weltbild-Verlag ist ein katholisches Unternehmen und wächst rasant. Zu rasant? Nun erwägen die Bischöfe den Verkauf des Konzerns. Hat der Vertrieb von erotischer Literatur damit zu tun?
Zu den besten Geschäftemachern im deutschen Medienmarkt gehört seit einigen Jahren die katholische Kirche. 14 Diözesen besitzen die Weltbild-Gruppe in Augsburg, die rasant zulegt - und doch denken die katholischen Bischöfe in Deutschland nun über den Verkauf des Konzerns nach.
Weltbild ist als Buchverlag, Buchhändler und Versender aktiv. Die 14 Bistümer und die Soldatenseelsorge Berlin, denen die Augsburger Gruppe gehört, seien nun "in einer sorgfältigen Prüfung der Frage, welche Gesellschafterstrukturen für ein weiteres langfristiges und kontinuierliches Wachstum des Unternehmens sinnvoll sind", teilte das Unternehmen am Montag mit. "Als Ergebnis dieser Prüfung ist auch eine Ergänzung oder Änderung des Gesellschafterkreises möglich."
Im Klartext: Die Kirche stellt Weltbild zum Verkauf.
Eine Frage der Größe
Größe allein hat die Kirche in ihrer 2000-jährigen Geschichte eher selten Schwindelprobleme bereitet - möglich ist aber, dass die Kirche im Fall Weltbild ein Problem der pikanten Art quält: Ein Verlag dieser Größenordnung kann sich der Vielfalt von Themen nicht erwehren. Wer auf buecher.de, einem Ableger der Gruppe, den Suchbegriff "Erotik" eingibt, findet inzwischen 4364 Treffer. Zuoberst: "Die Lehre der Lust. Kleine Hure." Darunter: "Die Unterwerfung der Hure Zarah". Und darunter der Titel: "Geld verdienen mit Sex, Erotik und Porno".
Natürlich werden unter "Top-Themen" auf der Website von Weltbild der Bestseller "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche oder die DVDs der Serie "Sex and the City" offeriert. Kid Rock ist eine große Nummer in der Sparte Musik mit seinem "Rock N Roll Jesus".
Es geht eben sehr weltlich zu bei diesem Unternehmen der Kirche. Es handelt sich insgesamt um einen großen Verbund, bei dem sich Schlüpfriges geradezu sachnotwendig einschleicht. Weltbild ist zum Beispiel am größten deutschen Buchhändler Hugendubel beteiligt; gemeinsam betreiben sie auch Buchhandlungen in den Karstadt-Kaufhäusern.
Die Onlineshops, darunter buecher.de, haben den Umsatz 2007/08 um 37 Prozent auf 451 Millionen Euro gesteigert und stehen inzwischen für 23 Prozent des Umsatzes im Konzern. Zu den 520 Buchhandlungen - darunter 330 unter der Marke Weltbild - sollen noch weitere hinzukommen.
Das vergangene Geschäftsjahr schloss Weltbild mit einem Umsatzsprung um 21 Prozent auf 1,94 Milliarden Euro ab. Die Gruppe beschäftigt nach eigenen Angaben 7400 Mitarbeiter. Erstmals schlagen im abgelaufenen Geschäftsjahr (30. Juni) die vollständigen Umsätze einer neuen Tochtergesellschaft zu Buche, die Weltbild zusammen mit dem Münchner Buchhändler Hugendubel betreibt.
Die Braut vor der Kirche
Es ist also eine stolze Braut, die sich hier vor der Kirche präsentiert. Das Handelsblatt zitiert in seiner Montagausgabe eine Sprecherin von Weltbild: "Wir prüfen derzeit eine Reihe von Interessenten." In der Branche gelte Bertelsmann als interessiert. Der Verkaufsprozess könnte sich bis zum nächsten Jahr hinziehen. "Eine Zerschlagung steht nicht zur Diskussion." Man sei gerade dabei, ein neues, gemeinsames Geschäftsmodell für den klassischen Versandhandel und den Onlinehandel umzusetzen.
Über die Gründe, den Augsburger Verlag zu verkaufen, kann nur spekuliert werden: Ist der Konzern einigen Gesellschaftern zu schnell gewachsen? Leidet darunter wirklich das christliche Weltbild des Unternehmens? Wie sehr ist den Katholiken der Vertrieb von erotischer Literatur ein Dorn im Auge?
Der Vorsitzende der Weltbild-Geschäftsführung, Carel Halff, räumte im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen ein, die Wachstumsperspektiven seien "über die ursprünglichen Kernvorstellungen der Bischöfe" hinausgegangen.
Das kann nur heißen: Die katholische Kirche ist vom eigenen Erfolg überrollt worden.