zondag, mei 09, 2010

Schönborn: "Zeit der Vertuschung vorbei. Sodano verhinderte Untersuchung im Falles Groër "


Schönborn: "Zeit der Vertuschung vorbei"
von Hans Rauscher 28. April 2010, 20:13
derStandard.at

Schönborn: "Es ist kein Geheimnis, dass die römische Kurie (zentrale Kirchenbehörde) dringenden Reformbedarf hat"
In Österreich habe die Kirche keine "Angst mehr vor der Wahrheit" - Bei der römischen Kurie schien er sich da nicht so sicher

Wien - Als kürzlich Kardinal Schönborn das erzbischöfliche Palais in der Wollzeile verließ, nutzte ein Passant die Gelegenheit, um ihm mitzuteilen, dass "ihr Kirchenleut' alle Kinderverzahrer seids".

Austrittszahlen erschreckend
Auf weniger volkstümlicher Ebene weiß der Kardinal den Vertrauensverlust durch die Missbrauchsaffären wohl einzuschätzen. Befragt, wo er auf einer Skala von 1 bis 5 die Situation sehe, sagte er: "In Irland ist es katastrophal, es ist fast 5. In Österreich ist es dramatisch, ich würde sagen, Stufe 3."
Die Austrittszahlen seien erschreckend, er überlege, wie man das bremsen könne.

Kein Täterschutz mehr gegenüber dem Opferschutz
Schönborns Antwort darauf für die österreichische Kirche: "Die Zeit der Vertuschung ist irreversibel vorbei." Es habe im Klerus eine gewisse Haltung gegeben, die den Täterschutz gegenüber dem Opferschutz begünstigt habe, auch aus falsch verstandener Barmherzigkeit. "Wir haben aber gezeigt, dass wir keine Angst vor der Wahrheit haben, die uns nach dem Johannesevangelium freimachen wird." Zuletzt habe es bei den Erklärungen zum Missbrauch einen starken Input von Laien (vor allem Frauen) gegeben. Schönborn zählte dazu die Maßnahmen auf, die teils schon vor Jahren nach der Affäre Groër (Missbrauchs-Ombudsstellen), zum Teil erst aktuell (Klasnic-Kommission) ergriffen wurden.

Neue Offenheit nicht überall im Vatikan
Der Kardinal ließ aber keinen Zweifel daran, dass diese neue Offenheit nicht überall im Vatikan angekommen sei. Dass Kardinal Angelo Sodano am Ostersonntag im Angesicht des Papstes die Berichte über Missbrauch als "Geschwätz" bezeichnete, sei eine "massive Verletzung der Opfer". Es sei kein Geheimnis, dass "die römische Kurie dringenden Reformbedarf hat". Papst Benedikt arbeite behutsam daran. Der Papst habe allerdings die gesamte Weltkirche sozusagen auf seinem Schreibtisch, und eine schnell reagierende Beratung von außen sei durch seinen Arbeits- und Kommunikationsstil nicht leicht.

Sodano verhinderte Untersuchung im Falles Groër
Sodano war es auch, der vor 15 Jahren die Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung des Falles Groër verhinderte, die vom damaligen Kardinal Ratzinger gewollt gewesen sei, ließ Schönborn durchblicken.

Geschlossenen Systeme begünstigen Missbrauch
Der "Gründer" (Jesus) habe die Kirche als offenes System gemeint. Schönborn stimmte zu, dass alle geschlossenen Systeme, nicht nur katholische Internate, die es kaum noch gebe, den Missbrauch begünstigen. Missbrauch in der Kirche gehöre aber "zum Schlimmsten, was es gibt". Ob eine Ursache der Zölibat sei, darauf habe er "keine Antwort". Manche Therapeuten sagten "Ja", andere aber "Nein". Bei aller Problematik solle man aber bedenken, wie es wäre, wenn es die Kirche nicht gäbe. "Die Kirche ist eine Ressource der Gesellschaft, die in Zeiten krisenbedingter Armut immer wichtiger wird. Wir sollten uns überlegen, wie wir mit dieser Ressource umgehen. Das bedeutet nicht Schonung und Vertuschung, aber Ausgewogenheit."
(Hans Rauscher, DER STANDARD Printausgabe 29.4.2010)

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