Vor wenigen Monaten erschütterte ein Coming Out die Kirchenwelt:
Krzysztof Charamsa, Mitglied der katholischen Glaubenskongregation im
Vatikan, stellte der Öffentlichkeit vor laufenden Kameras seinen
Lebenspartner vor. Zeitgleich kritisierte der polnische Priester die
Kirche scharf für ihren Umgang mit Sexualität. Der Klerus sei
„überwiegend homosexuell“, die Kirche in ihrer Haltung homophob und
rückwärtsgewandt, so Charamsa.
Nicht erst seit Charamsas spektakulärem Auftritt wirken die
Sexualvorstellungen der Kirche aus der Zeit gefallen. Priester müssen
sich auch im 21. Jahrhundert zu einem zölibatären Leben verpflichten –
unterdrücken ihre Bedürfnisse nach Liebe und Sexualität oder leben sie
im Verborgenen. Mit persönlichen Folgen für Pfarrer, ihre Partner und
Kinder. Und, wie in den Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahre
aufgedeckt, teilweise auch zum dramatischen Nachteil ihrer Schutzbefohlenen.
Unsere Gäste:
Krzysztof Charamsa
*Krzysztof Charamsa*arbeitete jahrelang im innersten Zirkel der
Katholischen Kirche im Vatikan. Der Priester schrieb als Mitarbeiter der
Glaubenskongregation sogar an einem Erlass mit, der Homosexuellen das
Priesteramt untersagt. Im Oktober dann vor aller Öffentlichkeit das
Outing als schwuler Priester und das Bekenntnis zu seinem Partner - aus
Protest. Er sagt: „Ich musste jahrelang wider meine Natur leben“.
Andreas Englisch
*Andreas Englisch*bestätigt: „Es gibt keine andere Institution, die auf
der einen Seite so stark von Homosexualität geprägt und auf der anderen
Seite so homophob ist“. Der Journalist und Vatikan-Experte wundert sich,
dass der Kirche in Personalfragen auch im 21. Jahrhundert der Verzicht
auf Sexualität wichtiger ist, als die fachliche Eignung der Menschen.
Vom neuen Papst erhofft sich der Franziskus-Fan eine Aufbruchsstimmung
in der Kirche.
Weihbischof Hans-Jochen Jaschke
*Weihbischof Hans-Jochen Jaschke*hingegen hält an seinen urkatholischen
Überzeugungen fest und macht wenig Hoffnung auf Reformen seiner Kirche.
„Priester sein heißt: Man verpflichtet sich auf die Ehelosigkeit und
sexuelle Enthaltsamkeit.“ Sein eigenes zölibatäres Leben empfindet
Jaschke nicht als Verzicht sondern als Bereicherung.
Sandra Dorn und Stefan Hartmann
Der ehemalige*Pfarrer Stefan Hartmann*bekannte sich vor zwei Jahren zu
seiner unehelichen Tochter. Nach seiner öffentlichen Beichte untersagte
ihm sein Bischof weitere Äußerungen. Drei Monate später bat er den
Papst, ihn von seinem Keuschheitsversprechen zu befreien. „Ich bin nicht
für die Abschaffung des Zölibats, aber ich bin für die Abschaffung der
Pflicht zum Zölibat“, sagt Hartmann, der heute mit seiner Partnerin
Sandra Dorn zusammenlebt.
Marco Palmiro Stoop
Als Neunjähriger erfuhr*Marco Palmiro Stoop*, dass er der Sohn eines
katholischen Pfarrers ist. Eine starke innere Zerrissenheit in der
Jugend war die Folge. Als er seinen leiblichen Vater schließlich
kennenlernte, war der Schock groß: „Das Schlimmste war, dass ich merkte:
Ich gleiche ihm wie ein Ei dem anderen. Ich habe mich da nur noch
gehasst.“ Annäherungsversuche endeten in Ablehnung und Enttäuschung, was
Marco Palmiro Stoops Leben bis heute prägt.
Rotraud Perner
Was kann passieren, wenn Menschen ihre Sexualität aufgrund eines
Keuschheitsgelübdes dauerhaft unterdrücken?*Professor Rotraud
Perner*meint: „Der Zwang, zölibatär zu leben, ist unmenschlich und mit
der Bibel nicht zu vereinbaren“. In die Praxis der Psychotherapeutin und
Sexualforscherin kommen auch betroffene Priester – und deren Opfer.
"I'm gay and I'm a priest, period".
The Washington Post
31-1-2016
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