woensdag, juni 29, 2011

Access to Justice; und jezt reden wir: Opfern von Unrecht und Misshandlungen in der Heimerziehung wirksam helfen








Am 20. Juni 2011 haben sich die Mitglieder des ehemaligen Runden Tisches Heimerziehung, wie im Abschlussbericht angeregt, getroffen, um sich über den aktuellen Stand der Umsetzung zu informieren. Zu diesem Treffen waren Mitglieder der interfraktionellen Arbeitsgruppe des Bundestages sowie Vertreter der Länder eingeladen.

Aus der Bundesebene wurde berichtet, dass die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, Bündnis 90/ die Grünen einen gemeinsamen Antrag zur Umsetzung der Vorschläge des Runden Tisches dem Bundestag vorgelegt haben.

Die Fraktion der Linken hat einen eigenen Antrag vorgelegt.

Am 09. Juni 2011 fand die erste Lesung im Bundestag zu beiden Anträgen statt.
Die weitere Bearbeitung erfolgt im zuständigen Familienausschuss.
Vor diesem Ausschuss fand am 27. Juni 2011 eine Anhörung von Experten statt. Ziel ist es, bis zum Herbst dieses Jahres den Bundestagsbeschluss herbeizuführen, der die Umsetzung der Lösungsvorschläge des RTH ermöglicht.


bron Runder Tisch Heimerziehung
elektronische Vorab-Fassung*
* Wird nach Vorliegen der lektorierten Druckfassung durch diese ersetzt.
Antrag
der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Manfred Kolbe, Peter Altmaier, Dr. Christoph Bergner, Klaus Brähmig, Ingrid Fischbach, Manfred Grund, Norbert Geis, Thomas Jarzombek, Ewa Klamt, Katharina Landgraf, Stefan Müller (Erlangen), Michaela Noll, Eckhard Pols, Erwin Rüddel, Nadine Schön, Dr. Peter Tauber, Arnold Vaatz, Marcus Weinberg, Volker Kauder, Gerda
Hasselfeldt
und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marlene Rupprecht, Petra Crone, Christel Humme, Caren Marks, Franz Müntefering, Aydan Özoğuz, Thomas Oppermann, Sönke Rix, Stefan Schwartze, Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Christian Ahrend, Stephan Thomae,Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP
sowie der Abgeordneten Katja Dörner, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Renate Künast, Jürgen Trittin, Ekin Deligöz, Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Maria Klein-Schmeink, Agnes Krumwiede, Stefan Kühn, Markus Kurth, Monika Lazar, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, Tabea Rößner, Krista Sager, Elisabeth Scharfenberg, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:In der Zeit von 1949 bis 1975 lebten etwa 700.000 bis 800.000 Säuglinge, Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland in stationärer Heimunterbringung. Ganz überwiegend befanden sich diese Heime in kirchlicher und kommunaler Hand. Verantwortlich für die Einweisung und die Unterbringung waren die Jugendämter und die Landesjugendämter. Häufig ging eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts der Heimunterbringung voraus.

Die Heimerziehung von Kindern und Jugendlichen in Heimen in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR war in ihrer ondividuellen Praxis sehr vielfältig. Es gab Heime mit fürsorglicher Unterbringung, aber auch Heime, in denen Kindern und Jugendlichen teilweise systematisch Leid und Unrecht zugefügt wurde.

Leid und Unrecht erlitten auch Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht waren.

Aus dem Blickwinkel der Kinder gab es keinerlei Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Einweisung oder das Unrecht, dem sie in den Heimen ausgesetzt waren.
In den alten Ländern schied dies faktisch aus, in der DDR gab es nicht einmal die
theoretische Möglichkeit.

1. Heimkinder in der Bundesrepublik Deutschland und BerlinWest


Im Jahr 2006 wandten sich eine Reihe ehemalige Heimkinder, die in Heimen in Westdeutschland untergebracht waren, an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, weil viele der in den Heimen untergebrachten Kinder und Jugendlichen unter menschenunwürdigen Erziehungsmethoden wie entwürdigenden Bestrafungen, willkürlichem Einsperren, vollständiger Entmündigung und massiven Gewalttätigkeiten wie körperlicher und sexueller Gewalt durch die Erzieherinnen und Erzieher gelitten hätten.
In konfessionellen Heimen, aber auch in staatlichen Heimen wurde Kindern und
Jugendlichen häufig religiöser Zwang auferlegt und deren Recht auf religiöse Mitbestimmung nach Artikel 4 Absatz 1 des Grundgesetzes missachtet.
Überwiegend hätten sie in den Erziehungsheimen unentgeltlich arbeiten müssen, wobei die von ihnen ausgeübte Arbeit vorwiegend gewerblichen Charakter gehabt und nicht der Ausbildung gedient habe.
Dabei wurden häufig mögliche gesundheitliche Schädigungen vernachlässigt. Auch würden die ausgeübten Tätigkeiten nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt, so dass nunmehr auch geringe Renten gezahlt würden oder zu erwarten seien.
Oft fehlte eine schulische und berufliche Förderung der betroffenen Kinder und Jugendlichen bzw. war diese unzureichend.

Die ehemaligen Heimkinder forderten Entschädigungsleistungen und eine Entschuldigung des Deutschen Bundestages sowie eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik.
Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages beschäftigte sich zwei Jahre lang mit der Thematik der Heimerziehung.

In seiner Beschlussempfehlung sieht und erkennt er erlittenes Unrecht und Leid, das Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Säuglings-, Kinder- und Jugendheimen in der Bundesrepublik in der Zeit zwischen 1949 und 1975 widerfahren ist und bedauert dies zutiefst.
Da es für eine generelle Regelung hinsichtlich Entschädigung und Rentenanerkennung keine Rechtsgrundlage gibt und die individuellen Ansprüche der Heimkinder gegenüber den Trägern verjährt sind, empfiehlt der Petitionsausschuss in seiner Beschlussempfehlung, die Anliegen der Heimkinder, d. h. das Aufarbeiten der Geschehnisse und Erlangen von Genugtuung, im Rahmen eines Runden Tisches einer Lösung zuzuführen.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Runden Tisches sollten Betroffene, Träger, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Verbände,Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Länder, des Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages sowie der Kirchen sein.

In der öffentlichen Debatte wurde gelegentlich eine pauschale Entschädigung für alle Heimkinder gefordert, die auch im Petitionsausschuss debattiert wurde. Eine solche Lösung würde voraussetzen, dass die damalige Heimerziehung generell als Unrechtstatbestand einzustufen ist. Dies ist aber gerade nicht der Fall.






Bewertungen des Runden Tisches Heimerziehung
Aufgrund der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses in seiner Sitzung am 26. November 2008 hat der Deutsche Bundestag einstimmig und in fraktionsübergreifendem Konsens erstmals in seiner Geschichte einen Runden Tisch eingerichtet. Der Runde Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ konstituierte sich am 17. Februar 2009. Er beschäftigte sich ausführlich mit der Situation in allen Heimen und
überreichte seine im Konsens beschlossenen Empfehlungen am 19.Januar 2011 dem Bundestagspräsidenten.

Der Runde Tisch kommt zu folgender Bewertung:
o Es gab in der Heimerziehung vielfaches Unrecht und Leid.
o Es kam zu zahlreichen Rechtsverstößen, die auch nach damaliger Rechtslage und deren Auslegung nicht mit dem Grundgesetz und dem damals geltenden Recht vereinbar waren.
o Für das erlebte Leid der Heimkinder verantwortlich waren Vormünder, Pfleger, Jugendämter, Landesjungendämter, Vormundschaftsgerichte, Träger von öffentlichen, freien, kirchlichen und sonstigen Einrichtungen, Heimleitung und –personal, aber auch Eltern und die für die rechtlichen Rahmenbedingungen und Richtlinien und deren Anwendung verantwortlichen. Hierzu zählen der Bund, die Länder und die Gerichte.


0 Die betroffenen ehemaligen Heimkinder tragen an dem ihnen angetanen Unrecht und Leid selbst keine Schuld.
Vielmehr waren es die gesellschaftlichen Bedingungen, problematische Menschenbilder bei den Handelnden und ein schlechtes und an vielen Stellen demokratisch unreifes System, die das ihnen Angetane bewirkt haben. Heimerziehung als disziplinierende und kontrollierende Instanz ist dabei in den Kontext eines in den 50er und 60er Jahren autoritären Zeitgeists und einer anderen gesellschaftlichen Sicht auf Kinder und Jugendliche zu stellen.


Empfehlungen des Runden Tisches Heimerziehung
Als Rehabilitierung schlägt der Runde Tisch ein Maßnahmenbündel vor.
Dazu gehören vor allem die Anerkennung des erlittenen Unrechts und eine Entschuldigung der damals Verantwortlichen, die Vereinfachung der Einsichtnahme der Betroffenen in ihre damaligen personenbezogenen Akten sowie die Einrichtung von niedrigschwelligen Anlauf- und Beratungsstellen. Mit Hilfe finanzieller Maßnahmen sollen heute noch vorhandene Folgen aus der Zeit der Heimunterbringung gemindert werden, z.B. durch Einmalzahlungen für nicht geleistete Sozialversicherungsbeiträge oder finanzielle Hilfen zur Überwindung von Folgeschäden (z.B. Traumatherapien). Darüber hinaus soll finanzielle Unterstützung gewährt werden für die Wissenschaftliche Aufarbeitung der Heimerziehung.

Finanzierung der Maßnahmen für die westdeutschen Heimkinder
Zur Finanzierung der Maßnahmen schlägt der Runde Tisch Heimerziehung die Gründung eines bundesweiten Fonds oder einer bundesweiten Stiftung vor. Die auf 120 Mio. Euro angelegte Finanzierung soll durch den Bund, die alten Länder und die Kirchen zu jeweils einem Drittel (je 40 Mio. Euro) erfolgen. 100 Mio. Euro sollen für den Fonds für Folgeschäden, 20 Mio. Euro für den Rentenersatzfonds vorgesehen werden.

2. Heimkinder in der DDR
Leid und Unrecht erlitten auch Kinder und Jugendliche in Heimen in der DDR. Ihr Schicksal wurde nicht im Rahmen des Runden Tischs „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ behandelt, weil sich dessen Arbeit auf die Petitionen zum Schicksal ehemaliger Heimkinder in der Bundesrepublik Deutschland und die dazugehörige Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses bezog.
Die wissenschaftliche Aufarbeitung begann nach der Friedlichen Revolution, insbesondere durch die Gedenkstätte „Geschlossener Jugendwerkhof Torgau“.
Die Kinder- und Jugendfürsorge in der DDR verfolgte immer auch das politische Ziel, eine Unterordnung der Kinder und Jugendlichen unter die sozialistische Diktatur zu erzwingen. Gründe für die Unterbringung in Heimen waren familiärer, fürsorglicher und politischer Art.
Angesichts des erlittenen Unrechts in Erziehungseinrichtungen der DDR hält es der Deutsche Bundestag für notwendig, Hilfsangebote für Opfer aus Heimen der DDR vorzusehen und an den Empfehlungen des Runden Tisches Heimerziehung zu orientieren. Im Rahmen solcher Hilfsangebote sollten Leistungen berücksichtigt werden, die nach den Rehabilitierungsgesetzen für die Heimunterbringung gewährt worden sind. Bei der Finanzierung dieser Hilfen sollte der Bund ebenfalls ein Drittel übernehmen.


II. Der Deutsche Bundestag
1. dankt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Runden Tisches Heimerziehung unter der Leitung der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a. D. Dr. Antje Vollmer für ihre Arbeit;
2. sieht und erkennt erlittenes Unrecht und Leid, das Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Heimen in der alten Bundesrepublik und in der DDR widerfahren ist und bedauert dies zutiefst;
3. spricht sich dafür aus, für ehemalige Heimkinder in der früheren Bundesrepublik und der DDR, die Leid und Unrecht erfahren haben, angemessene Lösungen und gleichwertige Formen der Wiedergutmachung vorzusehen.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dem Deutschen Bundestag in Abstimmung mit den betroffenen Ländern und den Kirchen zeitnah eine angemessene Umsetzung der Lösungsvorschläge des Runden Tisches Heimerziehung vorzulegen.
Diese umfasst beispielsweise die Realisierung rehabilitativer Maßnahmen, finanzieller Maßnahmen zugunsten einzelner Betroffener ohne Anrechnung auf Renten und Transferleistungen, finanzieller Maßnahmen für überindividuelle Aufarbeitung, Prävention und Zukunftsgestaltung sowie die Einrichtung regionaler Anlauf- und Beratungsstellen für Betroffene.

Darüber hinaus
· ist dem Bundestag eine geeignete Rechtsform für die Umsetzung der Vorschläge des Runden Tisches (Fonds/Stiftung)vorzuschlagen, mit der den Betroffenen Hilfen effektiv, zügig und unkompliziert gewährt werden können;
· sind die privaten und öffentlichen Träger aufzufordern, dafür Sorge zu tragen, dass für die Betroffenen die Einsichtnahme in Akten und Dokumente der Kinder- und Jugendhilfe bzw. Vormundschaftswesens erleichtert wird;
· ist dem Deutschen Bundestag bis Ende Juni 2013 ein Bericht über den Stand der Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches Heimerziehung vorzulegen, dies betrifft auch die Empfehlungen zur „Prävention und Zukunftsgestaltung“;

2. dem Deutschen Bundestag in Abstimmung mit den betroffenen Ländern möglichst zeitgleich eine Lösung vorzuschlagen, mit der Kinder und Jugendliche, die in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen der DDR Unrecht erlitten haben, entsprechende, zu den Vorschlägen des Runden Tisches Heimerziehung gleichwertige Hilfen zugebilligt werden können. Die weitere wissenschaftliche Aufarbeitung ist sicherzustellen, insbesondere unter Einbeziehung der Arbeit der Gedenkstätten in Ost und West;

3. für andere Opfergruppen in Abstimmung mit den betroffenen
Ländern Regelungen zu finden.

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

elektronische Vorab-Fassung*
* Wird nach Vorliegen der lektorierten Druckfassung durch diese ersetzt.

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