Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
Vom 22. bis 25. Februar 2010 findet erstmals in Freiburg die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz statt. An ihr nehmen 65 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz unter Leitung des Vorsitzenden, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, teil.
Pressemitteilung München/Freiburg, 21. Februar 2010
Leitlinien zum sexuellen Missbrauch grundlegend überarbeiten und konsequent anwenden!
Wir sind Kirche appelliert an die Bischofskonferenz: Leitlinien zum sexuellen Missbrauch grundlegend überarbeiten und konsequent anwenden!
Mit einer Mahnwache „Keine Vertuschung sexualisierter Gewalt in der Kirche“ appelliert die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche erneut an die Deutsche Bischofskonferenz, die 2002 beschlossenen „Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Kleriker und Kirchenangestellte“ grundlegend zu überprüfen, verbindlicher zu gestalten und konsequenter anzuwenden.
Die in den letzten drei Wochen zu Tage getretenen Fälle haben in erschreckender Weise deutlich gemacht, dass die Leitlinien der Bischofskonferenz (DBK) wie auch die Leitlinien der Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK) große Lücken aufweisen. Diese Leitlinien wurden auch noch nicht einmal immer konsequent angewendet, wie besonders der Fall Riekofen im Bistum Regensburg im Jahr 2007 zeigte.
Zentrale Forderungen der KirchenVolksBewegung für die Überarbeitung der Leitlinien sind:
1. Einrichtung einer niederschwelligen unabhängigen bundesweiten Ombudsstelle für Opfer (und auch Täter). Es kann nicht sein, dass in einzelnen Diözesen ranghohe Geistliche, denen die notwendige Distanz zu möglichen Tatverdächtigen fehlt, immer noch als Ansprechpartner genannt werden (1. und 2. der Leitlinien). Solange dies nicht erfolgt, hält Wir sind Kirche den im Jahr 2002 eingerichteten Notruf weiterhin bereit (Telefon: 0180-3000862, E-Mail: zypresse@wir-sind-kirche.de).
2. Beschleunigung kirchenrechtlicher Voruntersuchungen, damit nicht Verjährungsfristen verstreichen (5. der Leitlinien). Außerdem sollte der Gesetzgeber prüfen, ob nicht die Verjährungsfristen für Fälle sexueller Gewalt zu verlängern sind, da diese erfahrungsgemäß den Opfern erst nach vielen Jahren bewusst werden.
3. Aktive Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft. Es reicht nicht aus, dem Verdächtigten zur Selbstanzeige zu raten (7. der Leitlinien).
4. Entschuldigung bei den Opfern für die erfahrene Gewalt und Demütigung, unabhängig von der Finanzierung von Therapien und anderen Schadensersatzleistungen (8. der Leitlinien). Ermutigung der Opfer, sich zu melden, so wie dies die Jesuiten in Berlin zwar verspätet, aber dann in vorbildlicher Weise getan haben.
5. Verdächtige und überführte Täter dürfen in keiner Weise mehr in der Seelsorge eingesetzt werden. Es reicht nicht aus, nur den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen zu unterbinden (11. und 12. der Leitlinien).
6. Einheitliches und abgestimmtes Vorgehen aller Diözesen und Ordensoberen, um ein verschleierndes Versetzen ehemaliger und möglicher Täter zu unterbinden (15. der Leitlinien).
7. Aktives Recherchieren von Altfällen durch eine unabhängige Untersuchungskommission, wie dies in Irland geschah. Wir sind Kirche unterstützt den Vorschlag der Bundesjustizministerin zur Einrichtung eines bundesweiten kirchenunabhängigen Runden Tisches, da sich gezeigt hat, dass kircheninternes Handeln immer wieder an strukturelle Grenzen stößt.
8. Praktizieren einer Null-Toleranz-Politik für Pädophile und Ephebophile, wie sie Papst Benedikt XVI. im Jahr 2008 in seinem Drei-Stufen-Plan vorgelegt hat. Nur so kann vermieden werden, dass alle Priester, Ordensleute und katholischen Einrichtungen unter Pauschalverdacht geraten.
9. Wirksame Präventionsmaßnahmen bei der Auswahl der Seminaristen und auf der Seite möglicher Opfer in den Gemeinden, Jugendverbänden, Kindergärten, Schulen und überall dort, wo Kinder und Jugendliche der Kirche anvertraut sind (14. und 15. der Leitlinien).
10. Grundlegende Reform der Priesterausbildung mit intensiver Auseinandersetzung der Seminaristen mit ihrer eigenen Sexualität und Persönlichkeitsentwicklung.
Wir sind Kirche warnt aber auch vor einer Dämonisierung der Täter, die oft selber persönliche Opfer oder Opfer einer menschenfeindlichen Sexuallehre gewesen sind. Deshalb fordert die katholische Reformbewegung dazu auf, endlich die tieferen, strukturellen Ursachen in den Blick zu nehmen: die strikte Sexualmoral, ein überhöhtes männliches Priesterbild und autoritäre hierarchische Strukturen. Eine Zölibatsdebatte alleine würde zu kurz greifen. Ohne Enttabuisierungen in der Sexuallehre und ohne grundlegende Änderung in der Einstellung zur menschlichen Sexualität wird nach Auffassung von Wir sind Kirche der Teufelskreis von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt in der römisch-katholischen Kirche nicht zu durchbrechen sein.
Eine zentrale Verantwortung trägt der Vatikan, der im Jahr 1962 in dem streng vertraulichen Dokument „Crimine Sollicitationis“ alle Bischöfe angewiesen hatte, sexuelle Vergehen von Priestern „mit größter Geheimhaltung“ innerkirchlich zu verfolgen, und die Opfer unter der Drohung der Exkommunizierung zum Stillschweigen verpflichtete. Dass diese Regelungen weiterhin gültig sind, hatte Kardinal Joseph Ratzinger noch 2001 verfügt, als die Glaubenskongregation mit dem „Motu proprio Sacramentorum sanctitatis tutela“ die kirchenrechtliche Zuständigkeit für sexuelle Vergehen an sich gezogen hat.
Die Richtlinien des Vatikan zur Aufnahme ins Priesterseminar vom November 2008 sind insofern problematisch, als – wie schon in früheren Verlautbarungen – nicht klar zwischen sexueller Gewalt gegenüber Minderjährigen und Homosexualität erwachsener Menschen unterschieden und erneut Homosexualität als sexuelle Möglichkeit der Orientierung ausgeschlossen wird. Vorsichtige Schätzungen gehen von 300 pädophil (Neigung zu Kindern) oder ephebophil (Neigung zu Heranwachsenden) veranlagten Priestern in Deutschland aus. Die Zahl der Opfer ist um ein Vielfaches größer.
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Zur Mahnwache am Montag, 22. Februar 2010, von 17 bis 18:30 Uhr (vor dem Eröffnungsgottesdienst im Münster) am Freiburger Münsterplatz Ecke Herrenstraße sind alle Christinnen und Christen, aber auch andere Bürgerinnen und Bürger herzlich eingeladen.
In einem Pressegespräch am Dienstag, 23. Februar 2010, um 11 Uhr im Hotel/Restaurant „Oberkirch“, Münsterplatz 22 in Freiburg werden die Forderungen der KirchenVolksBewegung zur Überarbeitung der Leitlinien erläutert und auch andere aktuelle Punkte der Agenda der Bischofskonferenz angesprochen.
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Wir sind Kirche-Kontakt in Freiburg während der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz:
Annegret Laakmann (Wir sind Kirche-Referentin und Initiatorin des Wir sind Kirche-Notrufs): 0175-9509814
Magnus Lux (Wir sind Kirche-Bundesteam): 0176-41266392
Christian Weisner (Wir sind Kirche-Bundesteam): 0172-5184082
E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de
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