zaterdag, februari 06, 2010

Bistümer melden Dutzende Verdachtsfälle auf Kindesmissbrauch

06. Februar 2010
Katholische Kirche in Deutschland
Der Spiegel

Die Zahlen sind ungeheuerlich - und sie erschüttern die katholische Kirche in Deutschland: Nach SPIEGEL-Informationen gab es in den vergangenen Jahren in deutschen Bistümern über 90 Verdachtsfälle auf Kindesmissbrauch. Kirchenvertreter reagieren entsetzt.

Hamburg/Berlin - Die Zahl möglicher Missbrauchsfälle in der deutschen katholischen Kirche ist größer als bislang angenommen: Eine Umfrage des SPIEGEL bei allen 27 deutschen Bistümern ergab, dass seit 1995 mindestens 94 Kleriker und Laien unter Missbrauchsverdacht geraten sind. 30 von ihnen wurden in der Vergangenheit juristisch belangt und verurteilt.


Viele Fälle waren zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens jedoch bereits verjährt. Derzeit stehen den Angaben zufolge mindestens zehn Kirchendiener unter Missbrauchsverdacht.

Von den 27 Bistümern, die der SPIEGEL am vorigen Dienstag angefragt hatte, antworteten 24. Nur die Bistümer Limburg, Regensburg und Dresden-Meißen verweigerten eine Auskunft zu Missbrauchsfällen. Man wolle "die aktuelle Diskussion nicht noch befeuern", erklärte etwa der Sprecher des Bistums Dresden-Meißen. Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Jesuitenpater Hans Langendörfer, sagte indes: "Die Enthüllungen zeigen ein dunkles Gesicht der Kirche, das mich erschreckt. Wir wollen das Thema offen angehen."

Kritische Katholiken fordern Konsequenzen

Kritische Katholiken-Gruppen fordern nun eine Korrektur der bischöflichen Leitlinien, die den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche regeln. So regt Bernd Göhrig, Geschäftsführer der "Kirche von unten", die Einführung unabhängiger Ombudsstellen an. Bei der am 22. Februar beginnenden Tagung der Deutschen Bischofskonferenz wollen sich die Oberhäupter der katholischen Bistümer mit dem kirchenweiten Missbrauchsskandal, der in der vorigen Woche durch die Ereignisse an der Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg Auftrieb bekam, auseinandersetzen.

In Fall Canisius sehen Experten kaum Chancen für Entschädigungen. Wie bei der strafrechtlichen seien auch bei der zivilrechtlichen Aufarbeitung Verjährungsfristen zu berücksichtigen, gaben sie am Freitag zu bedenken. Zugleich meldeten sich weitere Opfer. Inzwischen sind Fälle von allen drei deutschen Jesuiten-Gymnasien - dem Berliner Casinius-Kolleg, dem Kolleg St. Blasien im Schwarzwald und dem Bonner Aloisiuskolleg - bekannt.

Erste Missbrauchsfälle aus den siebziger und achtziger Jahren waren am 28. Januar in Berlin öffentlich geworden. Dann kamen weitere Taten von drei Jesuiten-Patern in Hamburg, Hildesheim, Göttingen, Hannover, im Schwarzwald und in Bonn ans Licht. Die Zahl der Opfer liegt bei mindestens 30.

Nach Einschätzung der Berliner Staatsanwaltschaft sind die meisten bisher bekannten Fälle strafrechtlich verjährt. Die Vorermittlungen zu den Taten liefen zwar noch bis nächste Woche, sagte ein Justizsprecher, aber die Verjährungsfrist für diese Form sexuellen Missbrauchs betrage zehn Jahre ab dem 18. Geburtstag des Opfers und sei abgelaufen.

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