Auch in Deutschland ist sexueller Missbrauch durch katholische Geistliche ein Problem - Laien fordern unabhängige Kontrollen
Von Stephan Köhnlein
Ein Thema mit hoher Dunkelziffer
18.04.2008 14:58:28
Frankfurt/Main (AP) Zuletzt sorgte in Deutschland der Fall eines einschlägig vorbestraften pädophilen Priesters aus Riekhofen bei Regensburg für großen Wirbel. Wegen sexuellen Missbrauchs eines Ministranten wurde der 40-jährige Wiederholungstäter im vergangenen Monat zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen.
Oft werden Fälle sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester überhaupt erst bekannt, wenn sie strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Initiative Kirche von unten (IKvu) sieht bei diesem Thema deswegen eine hohe Dunkelziffer.In den USA, wo Papst Benedikt gerade mit Missbrauchsopfern von Priestern überraschend zusammentraf, sind mehr als 4.000 Priester beschuldigt worden, seit den 50er Jahren Minderjährige sexuell missbraucht zu haben. Der Skandal nahm erst eine nationale Dimension an, als der Fall eines geistlichen Serientäters in Boston vielen Opfern den Anstoß gab, auch ihre Geschichte öffentlich zu machen.
Zwtl: Betroffene in den USA gingen an die Öffentlichkeit
Verglichen mit dem Ausmaß in den USA nimmt sich die Zahl der von der IKvu auf ihrer Homepage dokumentierten Missbrauchs-Fälle in Deutschland eher gering aus. «Die Betroffenen in den USA sind an die Öffentlichkeit gegangen», erklärt IKvu-Bundesgeschäftsführer Bernd Hans Göhrig im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP. Auch würden viele amerikanische Diözesen mittlerweile offensiv mit dem Thema umgehen. Das sei in Deutschland «weniger so».
Trotzdem hat die Deutsche Bischofskonferenz das Thema Missbrauch als Problem erkannt. Im vergangenen Herbst stellte der mittlerweile ausgeschiedene Vorsitzende Kardinal Karl Lehmann unmissverständlich klar, dass wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Priester auf keinen Fall mehr mit Kindern und Jugendlichen arbeiten dürfte. Indirekt rügte Lehmann damit den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der bis heute jede Mitverantwortung für die Missbrauchsfälle in Riekhofen durch den vorbestraften Pfarrer bestreitet.
Zwtl: Bischofskonferenz verweist auf Verantwortung der Bistümer
Zwar bedauerte die Bischofskonferenz alle Schäden bei den Opfern und ihren Familien, verwies jedoch darauf, dass sie in Einzelfällen nicht eingreifen könne, da jedes Bistum selbst verantwortlich sei. Die bereits im Jahr 2002 von der Bischofskonferenz beschlossenen Leitlinien hätten sich bewährt, müssten aber von den Bischöfen in ihren Diözesen auch angewendet werden.
Die Laienorganisationen «Wir sind Kirche» und IKvu fordern seit längerem unabhängige Beratungs- und Untersuchungsstellen, um mehr Transparenz zu schaffen. Missbrauchsfälle dürften nicht allein kirchenintern behandelt werden, erklärt etwa IKvu-Geschäftsführer Göhrig.
Zwtl: «Zwangszölibat und autoritäre Strukturen
Ob es in der katholischen Kirche tatsächlich mehr Missbrauchsfälle gibt als in anderen Institutionen, ist nicht klar. Göhrig geht jedoch davon aus, dass «Zwangszölibat und die autoritären Strukturen» solche Fälle begünstigen.Beim sexuellen Missbrauch gehe es nicht in erster Linie um Sexualität, sondern um Macht. Autoritätspersonen nutzten die Abhängigkeit oder das Vertrauen rücksichtslos aus, um sich ein Gefühl der Überlegenheit zu verschaffen. Obwohl gerade die Problematik des sexuellen Missbrauchs durch Priester seit Jahren bekannt sei, werde bei Bekanntwerden auf Einzelfälle verwiesen, ansonsten alles unter der Hand geregelt, kritisiert die IKvu.
Für die Opfer fordern «Wir sind Kirche» und IKvu angemessene finanzielle Entschädigungen. In den USA hat die katholische Kirche mittlerweile mehr als zwei Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro) Schmerzensgeld gezahlt. Sechs Diözesen wurden durch die Kosten des Skandals in die Zahlungsunfähigkeit gebracht. Das heute 15-jährige Opfer von Riekhofen hat bislang gerade einmal 8.000 Euro Schmerzensgeld vom Täter zugesagt bekommen. Das Bistum Regensburg hat der Familie psychologische Hilfe angeboten, wie ein Sprecher am Freitag auf AP-Anfrage erklärte. Von etwaigen Schadensersatzzahlung des Bistums wusste er nichts.
Chronologie: Bekannt gewordene Missbrauchsfälledurch römisch-katholische Priester in Deutschland
Hamburg/Mainz.
Fälle sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester werden meistens erst bekannt, wenn sie strafrechtliche Konsequenzen haben. Einige Fälle der vergangenen Jahre in Deutschland, die überregional Aufsehen erregt haben:
1993: Ein 44 Jahre alter Pfarrer aus dem hessischen Kreis Bergstraße wird wegen
sexueller Nötigung zweier Mädchen zu zwei Jahren Haft mit Bewährung verurteilt.
Er soll zwei damals 14 und 16 Jahre alte Schwestern in vier Fällen missbraucht
haben. Der Priester hatte die Taten vor Gericht gestanden.
1994: Ein Pfarrer aus Krefeld wird wegen sexuellen Missbrauchs an einem
neunjährigen Jungen zu vier Jahren Haft verurteilt.
1995: Gegen einen 44 Jahre alten Pfarrer aus Gilching bei München wird wegen des Besitzes von Kinderpornos auf Videokassetten ermittelt. Der Pfarrer wird vom Dienst suspendiert.
1995: Ein 67 Jahre alter Pfarrer aus Hildesheim wird in den Ruhestand versetzt. Er gab zu, sich an mehreren minderjährigen Jungen vergangen zu haben. Es gab kein kirchliches Gerichtsverfahren, da die Taten verjährt waren.
1996: Ein 47 Jahre alter Pfarrer von Wangen/Allgäu verzichtet nach Vorwürfen sexueller Verfehlungen auf sein Pfarramt. Das Ordinariat hatte ihn bereits beurlaubt. Ein Gerichtsverfahren wird eingestellt.
1996: Ein 65 Jahre alter katholischer Priester aus Haren im Emsland wird zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Der inzwischen pensionierte und in einem Kloster lebende Pfarrer soll sich acht Jahre lang in 225 Fällen an 14 Messdienern und Erstkommunikanten vergangen haben.
1998: Ein 67 Jahre alter Pfarrer aus dem oberschwäbischen Bergatreute wird wegen sexuellen Missbrauchs zu neun Monaten Haft auf Bewährung und 5 000 Mark Geldstrafe verurteilt. Er soll im Religionsunterricht mehrfach die zehn bis zwölf Jahre alten Mädchen belästigt haben.
1999: Ein 39 Jahre alter Pfarrer aus dem schwäbischen Ort Wald wird zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ihm wird sexueller Missbrauch in 59 Fällen vorgeworfen. Opfer waren zwei Jungen und ein Mädchen im Alter von elf bis 14 Jahren.
2000: Ein katholischer Pfarrer aus dem Landkreis Coburg wird wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der 60-Jährige soll sich an drei Jungen im Alter von neun und elf Jahren vergangen haben. Ein Vater hatte ihn im Weihnachtsgottesdienst des Missbrauchs seines Sohnes bezichtigt.
2000: Ein 45 Jahre alter Priester aus Südbaden wird wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Der Pater einer konservativen Bruderschaft hatte sich an zwei Jungen im Alter von sechs und acht Jahren sexuell vergangen und einen von ihnen zum Oralverkehr gezwungen.
April 2002: Ein 40-jähriger Pfarrer aus Sandberg (Bayern) erstattet bei der Polizei Selbstanzeige, dass er einen Jungen sexuell missbraucht hat. Die Diözese Würzburg entbindet den Mann von seinen priesterlichen Pflichten mit sofortiger Wirkung und informiert die römischen Behörden - das erste Mal, dass ein solcher Rapport an den Vatikan öffentlich bekannt wird.
Juli 2002: Das Bistum Mainz beurlaubt einen Priester aus dem Kreis Groß-Gerau in Hessen wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen. Der Priester soll sein Unwesen über Jahre hinweg getrieben haben. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann kündigt an, den Vorwürfen rasch und intensiv nachgehen zu wollen.
Zwischen 2002 und 2007 wurden einige Fälle bekannt und in der Öffentlichkeit diskutiert. Wir werden versuchen, diese Fälle in Kürze hier auch auflisten zu können.
September 2007: Im Bistum Regensburg wird bekannt, dass ein vorbestrafter Priester wieder in den Dienst in einer Pfarrgemeinde eingesetzt wurde und dort wieder junge Menschen sexuell missbraucht haben soll.
Januar 2008: Aus der Schweiz werden aus verschiedenen Bistümern Verdachtsfälle gemeldet.
Anfang April 08 werden einige Fälle aus Österreich gemeldet.
Am 03.04.08 wird bekannt, dass im Erzbistum Köln Vorwürfe gegen einen bereits verstorbenen Priester vorliegen. Das Generalvikariat ruft in der Pfarrgemeinde St. Maria Königin in Frankenforst / Bergisch Gladbach die Opfer öffentlich dazu auf, sich zu melden.
Für weitere Fälle sind wir auch auf Ihre Hilfe angewiesen. Wenn Sie Dokumente oder Informationen weitergeben können, mailen Sie uns unter webmaster[at]ikvu.de
zondag, april 20, 2008
Duitsland en misbruik, geen miljoenen en ook daar de verjaringstermijnen
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